Steigende Materialpreise in den Griff bekommen

Die Preise für Baumaterial steigen im Moment dramatisch, teilweise werden Waren knapp. Die Gründe hierfür sind vielfältig: So sind infolge der Corona-Pandemie die Frachtpreise, insbesondere für Containerware aus Asien, massiv gestiegen, auf der anderen Seite führt Materialknappheit, zum Beispiel bei Holz, zu steigenden Preisen.

Durch kurzfristige Preissteigerungen auf Lieferantenseite gerät die Kalkulation von Kauf- und Werkverträgen gegenüber Kunden ins Wanken.

Es stellt sich daher die Frage, ob und gegebenenfalls wie derartige Preissteigerungen an den Kunden „durchgereicht“ werden können.

Die Grundlagen

Für den Kaufvertrag sieht § 433 Abs. 2 BGB vor:

Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.

Ähnlich heißt es für den Werkvertrag in § 631 Abs. 1 BGB:

Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

Ausgangspunkt für die vom Kunden geschuldete Vergütung ist demnach die zwischen den Parteien des jeweiligen Vertrages getroffene Vereinbarung; eine nachträgliche – einseitige – Veränderung der geschuldeten Vergütung sieht das Gesetz grundsätzlich nicht vor.

Eine einvernehmliche Änderung der einmal getroffenen Vereinbarung einschließlich des vereinbarten Preises bleibt selbstverständlich möglich. Wenn also der Kunde mit einer nachträglichen Preisanpassung an gestiegene Einkaufspreise einverstanden ist, kann ohne – rechtliche – Probleme auch für eine gleich bleibende Leistung ein neuer Preis vereinbart werden. Bei realistischer Betrachtung werden Kunden jedoch nur in den wenigsten Fällen bereit sein, bei einem einmal bindend abgeschlossenen Vertrag eine Preiserhöhung zu akzeptieren, wenn sich nicht gleichzeitig auch die vereinbarte Leistung zu Gunsten des Kunden verändert. An dieser Stelle ist Verhandlungsgeschick gefragt. Unter Umständen kann es gelingen, mit dem Kunden zusätzliche Leistungen (zum Beispiel Wartungs- oder Reinigungsvertrag) und gleichzeitig einen höheren Preis zu vereinbaren, um gestiegene Einkaufspreise zumindest teilweise zu kompensieren.

Im Folgenden soll es um die Frage gehen, ob und unter welchen Voraussetzungen es möglich ist, veränderte Einkaufspreise an den Kunden „durchzureichen“.

 

Lösungsansätze

Selbstvorsorge: Lagerhaltung

Der sicherste Weg, wirtschaftliche Einbußen durch steigende Einkaufspreise zu vermeiden, ist es, dem eigenen Kunden nur solche Produkte anzubieten (unabhängig davon, ob im Kauf- oder Werkvertrag), für die der eigene Einkaufspreis schon unveränderlich feststeht, weil die Produkte bereits gekauft sind. Dies setzt aber in der Regel eine umfangreiche Lagerhaltung voraus, die für viele Produkte kaum zu leisten sein wird.

 

gegenüber Lieferanten: Langfristige Preisvereinbarung

Auch im Verhältnis zu Lieferanten (Hersteller oder Großhandel) gilt der oben skizzierte Grundsatz, dass ein einmal für eine bestimmte Ware fest vereinbarter Preis grundsätzlich nicht einseitig (vom Lieferanten) verändert werden kann. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, dass rechtlich in der Regel jede neue Bestellung auch als ein neuer Vertrag anzusehen ist, so dass grundsätzlich bei jeder neuen Bestellung die Preise und Lieferkonditionen neu vereinbart werden.

Hier kann es sich anbieten, mit dem jeweiligen Lieferanten über Rahmenverträge, die in der Regel für einen feststehenden Zeitraum oder über ein festgelegtes Lieferkontingent geschlossen werden, feste Preise zu vereinbaren, so dass für ein einzelnes Bauvorhaben oder eine einzelne Lieferung nur eine Teilleistung aus dem Rahmenvertrag abgerufen wird und nicht ein grundlegend neuer Kaufvertrag geschlossen wird.

Mitglieder von Einkaufskooperationen können unter Umständen auf langfristig vereinbarte Lieferkonditionen (z.B. Lieferung frei Haus/frei Baustelle ab einem bestimmten Auftragsvolumen) oder fest vereinbarte Preise zurückgreifen.

 

gegenüber Kunden: Kurze Bindungsfrist für Angebote

Ein häufig übersehener Ansatzpunkt für eine Lösung ist die Bindungsfrist für Angebote. Als rechtliche Grundlage muss man zunächst wissen, dass ein Vertrag erst dann bindend zustandekommt, wenn sich die Vertragsparteien über die wesentlichen Punkte, die so genannten „Essentialia“, insbesondere über die geschuldete Leistung und die hierfür geschuldete Vergütung, geeinigt haben. Das Gesetz spricht von Antrag und Annahme und meint damit, dass eine Vertragspartei der anderen den Abschluss eines Vertrages zu bestimmten Bedingungen anträgt und die andere Partei diesen Antrag annimmt.

In der Baupraxis wird der „Antrag“ regelmäßig als „Angebot“ bezeichnet, der Auftragnehmer unterbreitet sein Angebot und der Auftraggeber nimmt dieses Angebot an, so dass es zum Vertragsschluss kommt.

Hier kommen verschiedene Varianten in Betracht:

 

A) Angebot „frei bleibend“/“unverbindlich“

Eine Bestimmung dahingehend, dass ein Angebot „frei bleibend“ oder „unverbindlich“ ist, führt zu einer Änderung der Rollen beim Abschluss eines Vertrages: Zwar gibt der Auftragnehmer ein „Angebot“ ab, dabei handelt es sich jedoch nicht um den „Antrag“ im Sinne des Gesetzes, vielmehr stellt erst die Annahme des Angebots durch den Auftraggeber den Antrag dar, so dass der Auftragnehmer zu diesem Zeitpunkt noch entscheiden kann, ob er sich an den Konditionen seines ursprünglichen Angebots festhalten lassen möchte.

Achtung: Ist der Vertrag einmal bindend geschlossen („Antrag“ des Auftraggebers und „Annahme“ des Auftragnehmers, ermöglicht auch die Klausel „frei bleibend“ oder „unverbindlich“ keine einseitige Änderung des Vertragspreises. Durch „frei bleibend“ oder „unverbindlich“ wird nur der Zeitpunkt zu dem sich der Auftragnehmer entscheiden muss, ob er sich an seinem ursprünglichen Angebot festhalten lassen möchte, nach hinten verlegt.

 

B) Auf Bindungsfrist achten!

Nach der gesetzlichen Regelung in § 146 BGB erlischt ein Antrag (Angebot), wenn er nicht rechtzeitig angenommen wird. Rechtzeitig heißt:

unter Anwesenden (im Ladengeschäft bzw. während eines Telefonats) sofort (§ 147 Abs. 1 BGB). Kommt es unter Anwesenden nicht zu einem sofortigen Abschluss des Vertrages, erlischt das ursprüngliche Angebot und der Preis kann neu verhandelt werden.

Unter Abwesenden (Angebot wird schriftlich, per E-Mail etc. unterbreitet) kann das Angebot nur innerhalb der Frist angenommen werden, die der Auftragnehmer „unter regelmäßigen Umständen erwarten darf“ (§ 147 Abs. 2 BGB). Diese sehr schwammige Formulierung des Gesetzes kann überwunden werden durch

Setzung einer Annahmefrist, etwa durch Formulierungen wie „Dieses Angebot ist gültig bis …“. Nimmt der Kunde das Angebot nicht innerhalb der Frist an, erlischt das Angebot und es ist rechtlich Raum für neue Verhandlungen.

Wichtig: Häufig wird übersehen, dass ein Angebot nur innerhalb einer relativ kurzen Frist angenommen werden kann. So kommt es immer wieder vor, dass Kunden Aufträge erteilen wollen zu den Konditionen eines Angebots, welches unter Umständen Monate alt ist. In diesen Fällen gibt es (wenn keine entsprechend lange Annahmefrist gesetzt ist) rechtlich keinen Grund, sich noch an dieses alte Angebot zu binden. Vielmehr ist hier die Möglichkeit eröffnet, Preise neu zu verhandeln.

Achtung: Wenn einmal ein Vertrag durch eine Annahme des Angebots innerhalb der oben skizzierten Bindungsfrist bindend geschlossen worden ist, sind auch die Preise nicht mehr einseitig veränderbar. Deshalb empfiehlt es sich, sich über eine möglichst kurze Bindungsfrist wieder Verhandlungsspielraum zu eröffnen, wenn der Kunde das Angebot nicht zügig annimmt.

Bei Verträgen mit Verbrauchern beachten Sie bitte außerdem die möglichen Widerrufsrechte von Verbrauchern, auf die ich in dieser Übersicht nicht im Detail eingehen kann.

 

Materialpreisgleitklauseln

Die oben angeführten Lösungsansätze laufen alle darauf hinaus, den Zeitpunkt, zu dem bindende Preise vereinbart werden, möglichst weit an den Zeitraum der eigentlichen Vertragserfüllung heran zu verlegen, um Preissteigerungen, die sich zwischen dem ursprünglichen Angebot und dem Vertragsschluss ergeben haben, noch erfassen zu können.

Über so genannte Materialpreisgleitklauseln wird versucht, eine Regelung zu finden, wonach veränderte Einkaufspreise auch nach Vertragsschluss noch zu veränderten Verkaufspreisen führen können.

Regelmäßig werden solche Klauseln als allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbart, dabei ist es für diese Einordnung nicht entscheidend, ob sich eine solche Klausel in einem mehr oder weniger umfangreichen AGB-Klauselwerk befindet oder als separate Klausel etwa auf einem Angebot. Bei AGB ist regelmäßig zu unterscheiden zwischen Verträgen mit Verbrauchern und Verträgen mit Unternehmern oder der öffentlichen Hand.

 

Verträge mit Verbrauchern

In Verträgen mit Verbrauchern sind Klauseln, die eine Erhöhung der Vergütung für Waren oder Leistungen vorsehen, die innerhalb von 4 Monaten nach Vertragsschluss geliefert oder erbracht werden sollen, generell unzulässig (§ 309 Nr. 1 BGB). Eine Klausel, die eine derartige Erhöhungsmöglichkeit vorsieht, ist nicht nur zivilrechtlich unwirksam, sondern kann nach der Preisangabenverordnung (PAngV) auch mit einem Bußgeld sanktioniert werden.

Allenfalls bei Verträgen, bei denen zwischen Vertragsschluss und vereinbarter Ausführungszeit ein Zeitraum von mehr als 4 Monaten liegt, kann eine Klausel über eine Preiserhöhung wirksam vereinbart werden. Auch in diesem Fall dürfte die Klausel jedoch nur dann wirksam sein, wenn für den Kunden schon aus der Klausel nachvollziehbar und transparent wird, wie sich der neue Preis errechnet. Es muss sichergestellt sein, dass mit der Gleitklausel kein versteckter Gewinnaufschlag vereinbart wird.

 

Verträge mit Unternehmern (z.B. Bauträger)

Die geschilderten Einschränkungen für Verträge mit Verbrauchern gelten für Verträge mit Unternehmern bei weitem nicht so streng. Hier spricht relativ viel dafür, dass auch Klauseln wirksam sein können, die sich auf Preiserhöhungen in einem kürzeren Zeitraum als 4 Monate beziehen.

Auch hier sollte die Klausel jedoch nachvollziehbar und transparent darstellen, wie sich der geänderte Preis aus dem ursprünglich der Kalkulation zugrundegelegten Preis entwickelt. Eine solche Klausel könnte beispielsweise (ohne Gewähr) formuliert werden, wie folgt:

 „Die kalkulierten Materialpreise basieren auf den aktuellen Preislisten unserer Lieferanten mit Stichtag XX.XX.20XX. Sollten sich unsere Einkaufspreise nach Maßgabe der zum Zeitpunkt der Materialbestellung gültigen Preislisten unserer Lieferanten geändert haben, sind wir berechtigt, die Einheitspreise um den Betrag pro Einheit (z.B. qm, kg etc.) zu erhöhen bzw. zu senken, um den sich unser Einkaufspreis je Einheit verändert hat. Die Beweislast für gestiegene Einkaufspreise liegt bei uns; dem Auftraggeber ist es freigestellt, nachzuweisen, dass die Einkaufspreise bei demselben Lieferanten nicht gestiegen bzw. gesunken sind. Im Falle einer Senkung unserer Einkaufspreise wird der Einheitspreis entsprechend nach unten angepasst.“

 

Verträge mit der öffentlichen Hand (z.B. Kommunen, Länder, Bund)

Für Verträge mit dem Bund enthält das Vergabehandbuch Bund in Formblatt 225 eine sehr ausführliche Stoffpreisgleitklausel, wonach Mehr- oder Minderaufwendungen, die über eine Bagatellgrenze von 10 Prozent hinausgehen, zu einer Änderung der Vergütung für einzelne Positionen führen können. Die Voraussetzungen im einzelnen und die Berechnungsmethode sind im Formblatt 225 ausführlich dargelegt, so dass hier auf das Vergabehandbuch Bund verwiesen werden kann. Das Vergabehandbuch finden Sie im Internet unter Vergabehandbuch Bund Stoffpreisgleitklausel

 

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